top of page

So meisterst du die Volatilität im Optionshandel

Aktualisiert: 30. Aug. 2023

wie du dich erfolgreich durch die Börsen-Achterbahn navigierst.





Im Allgemeinen bezieht sich Volatilität auf die Schwankungen im Preis eines Vermögenswerts über einen bestimmten Zeitraum.


Ein reiner Buy-and-Hold Investor ist den Aufs und Abs der Börsen vollständig ausgeliefert. Geht es hoch, so steigt der Depotwert. Geht es runter, so können sich genauso auch hohe Buchverluste im Depot anhäufen, die erstmal eine Weile ausgesessen werden müssen.


Direktionale Trader haben es da schon etwas einfacher, da sie nicht nur auf steigende, sondern auch auf fallende Kurse setzen können (Stichwort "Shorten" oder "Leerverkäufe"). Dies erfordert allerdings auch präzise Timing-Skills, um die Wellen des Marktes nachhaltig reiten zu können.


Jedoch kann keine der beiden Gruppen wirklich direkt einen Vorteil aus der sich ändernden Vola am Markt ziehen - ganz im Gegenteil zu Optionshändlern, die die zugrundeliegenden Konzepte verstehen und die Vola als ihre Edge nutzen, um von Marktunsicherheiten zu profitieren.


In diesem Artikel gebe ich dir genau dieses Wissen und die Werkzeuge an die Hand, um ein solcher Optionshändler zu werden.



Historische vs. implizite Volatilität


Zu Beginn gilt es erstmal, die notwendigen Begrifflichkeiten voneinander abzugrenzen.


Historische Volatilität (HV) bietet Einblicke in die vergangenen Schwankungen eines Vermögenswerts und kann als Referenzpunkt für zukünftige Bewegungen dienen. Sie wird als Standardabweichung der täglichen Preisänderungen berechnet. Wenn die HV hoch ist, bedeutet das, dass der Vermögenswert in der Vergangenheit starke Schwankungen hatte. Dies kann darauf hinweisen, dass auch in der Zukunft größere Bewegungen zu erwarten sind - womit wir zur für uns relevanteren impliziten Volatilität (IV) kommen.


Die HV beeinflusst also die IV, welche sich auf die erwarteten zukünftigen Preisbewegungen eines Vermögenswerts bezieht. Die IV ist demnach ein maßgeblicher Faktor für den Preis einer Option. Hohe IV deutet darauf hin, dass die Marktteilnehmer erhebliche Preisbewegungen erwarten, während niedrige IV auf geringere erwartete Schwankungen hinweist.



Einfluss der impliziten Volatilität auf Optionspreise


IV ist also keine statistische Größe, sondern ein marktpsychologischer Indikator und ein Parameter für die Unsicherheit des zukünftigen Aktienkurses. Je höher die IV eines Basiswerts, desto höher ist auch der Zeitwert einer Option und damit der gesamte Optionspreis.


Steigen Aktienkurse über eine längere Zeit, dann sinkt die IV und dadurch auch die Optionspreise. Bei den Marktteilnehmern herrscht Gier vor und die Nachfrage nach Absicherungen in Form gekaufter Puts nimmt ab. Die Prämien für uns als Stillhalter (Verkäufer der Puts) werden damit einerseits unattraktiver, andererseits können wir weiterhin vom steigenden Markt profitieren.


Fallen die Kurse aber plötzlich oder sind längere Zeit gefallen, so steigt die IV sehr wahrscheinlich stark an. Die Angst der Marktteilnehmer treibt die Optionspreise in die Höhe, da sich nun viele durch Long Puts versichern wollen.


Als Kennzahl der allgemeinen IV am Markt wird der Volatilitätsindex VIX benutzt, der die erwartete Vola im S&P 500 widerspiegelt. Im folgenden Schaubild aus TradingView* siehst du oben in schwarz den SPY (ETF auf den S&P 500) und unten in blau den VIX. Die vertikalen Linien zeigen schön den Zusammenhang zwischen Einbrüchen im SPY und Peaks im VIX. Anhand der grünen Pfeile kannst du erkennen, wie bei einem steigenden SPY der VIX tendenziell rückläufig ist.



SPY (oben) vs. VIX (unten) in TradingView

Da ich wie die meisten Optionshändler vorwiegend Optionen auf US-Aktien handle, ist eine weitere wissenswerte Tatsache, dass die IV unmittelbar vor den Quartalszahlen aufgrund der hohen Unsicherheit besonders hoch ist und nach der Veröffentlichung abrupt abfällt (sog. "IV Crush" oder "Vola Crush"). Im Rahmen systematischer Earnings-Trades kann man hiervon zwar profitieren, jedoch meide ich Optionen über die Earnings in meiner Brot- und Butterstrategie.


Nachfolgend noch ein Screenshot aus der TWS mit dem Kursverlauf von Meta im oberen Teil und unten der IV im selben Zeitraum. Diese solltest du dir auf jeden Fall auch in deine Ansicht holen (suche nach "optionsimplizierte Volatilität"). Ich habe durch die vertikalen Striche die quartalsweisen Earnings kenntlich gemacht und du siehst hier jedes Mal sehr schön, wie die IV davor stetig zunimmt und nach Bekanntgabe sofort abstürzt.



IV Crush nach Earnings in der TWS

Wie hoch ist eine "normale" implizite Volatilität?


Genug der Theorie und Respekt, dass du bis hierhin durchgehalten hast.😉

Jetzt kommen noch einige Tipps für die Praxis, mit denen du deinen Optionshandel verbessern kannst.


Über 85% der Aktien im S&P 500 haben aktuell eine IV zwischen 20% und 50% (Quelle: eigene Auswertung). Das sind typischerweise Basiswerte, die für mich zumindest im Hinblick auf Vola für Trades infrage kommen.

Etwa 12% der Aktien liegen bei einer IV zwischen 15% und 20%. Hier sind die Prämien erfahrungsgemäß sehr niedrig und die Basiswerte dadurch für klassische Short Puts ohne Einbuchung als Ziel ungeeignet. Darunter fallen typische "Langweiler" wie McDonald's, Coca-Cola oder Procter & Gamble.

Der kleine Rest hat IVs von 50% bis 100% oder sogar darüber hinaus. Das sind dann meistens kleinere spekulative Unternehmen, von denen ich eher die Finger lasse. Wenn allerdings eine große etablierte Firma plötzlich solch eine hohe Vola aufweist, ergibt sich auch eine super Chance, davon zu profitieren.


Durch die nachfolgende Grafik kannst du ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie die Kursverläufe von Aktien mit verschiedenen IVs über die letzten 12 Monate aussehen. Dabei geht es nicht zwingend um die Performance (der Zeitpunkt ist völlig zufällig), sondern um die Schwankungsbreite der Aktienkurse.



Schwankungsbreite von Aktien mit unterschiedlichen impliziten Volatilitäten in TradingView

  • Coca-Cola (KO, schwarz) mit aktueller IV von 15% ist vergleichsweise gemächlich dahingeplätschert.

  • Qualcomm (QCOM, orange) mit aktueller IV von 31% hatte etwas mehr Schwankungen im Verlauf.

  • Tesla (TSLA, blau) mit aktueller IV von 47% war schon sehr dynamisch unterwegs.

  • Lumen Technologies (LUMN, gelb) mit aktueller IV von 107% ist ein gutes Beispiel für eine spekulative Aktie mit ungesund hoher IV - es ging nur bergab.


Vorwiegend Optionen auf die Basiswerte mit der höchsten absoluten IV zu handeln ist demnach keine nachhaltige Strategie, da diese Aktien nicht ohne Grund so volatil sind und die Charts meistens einen deutlichen Abwärtstrend aufweisen.


Was allerdings extrem wertvoll ist, ist die aktuelle IV einer Aktie in ihren historischen Kontext für einen bestimmten Zeitraum einzuordnen, z.B. die letzten 52 Wochen. Hierbei helfen die beiden Kennzahlen IV Rank und IV Percentile.



Nutze IV Rank und IV Percentile als deine Werkzeuge


IV Rank = [(aktuelle IV - niedrigste HV) / (höchste HV - niedrigste HV)] * 100


Der IV Rank setzt also die aktuelle IV des Basiswerts ins Verhältnis zur Bandbreite zwischen der niedrigsten und höchsten historischen Vola für einen bestimmten Zeitraum. Ein IV Rank von 0 bedeutet demnach, dass die aktuelle IV extrem niedrig ist und bei 100 wäre sie sehr hoch. Als Stillhalter freuen wir uns hier über hohe Werte.


IV Percentile = (Anzahl der HV-Werte unter der aktuellen IV / Gesamtanzahl der HV-Werte) * 100


Die Werteskala von 0 bis 100 ist wieder genau wie beim IV Rank zu interpretieren und ein IV Percentile von bspw. 80 bedeutet, dass an 80% der Tage des betrachteten vergangenen Zeitraums die Vola des Basiswerts unter der aktuellen IV lag. Aus meiner Sicht ist das IV Percentile aussagekräftiger, da es extreme historische Ausschläge bei der Vola besser glättet.


Wenn zum Beispiel die Vola einer Aktie in den letzten 52 Wochen zwischen 20% und 40% pendelte, an einem einzigen Tag auf 120% hochschoss (zugegebenermaßen eher unwahrscheinlich) und die aktuelle IV bei 50% liegt, dann wäre der IV Rank nur bei 30 und das IV Percentile bei 100. Die aktuellen 50% sind jedoch im historischen Kontext auf jeden Fall außergewöhnlich hoch und ergeben eine tolle Chance. Bei reiner Betrachtung des IV Ranks würdest du nicht darauf aufmerksam werden, beim IV Percentile aber schon.


Beide Kennzahlen kannst du dir als Spalten für z.B. 13/26/52 Wochen zu deiner Watchlist innerhalb der TWS hinzufügen. Mich persönlich interessiert das IV Percentile über 52 Wochen am meisten.



So setzt du die Volatilität gewinnbringend für dich ein


Verkaufte Optionen profitieren von einem Rückgang der IV, weil dann auch die Optionspreise schnell absinken. Dahingegen nehmen gekaufte Optionen bei steigender IV im Wert zu.


Da wir vorwiegend als Stillhalter aktiv sind, sollten wir unsere Short Puts in der Theorie idealerweise nur bei hohen Werten des IV Ranks oder IV Percentiles setzen, da ein Rückgang der Vola dann einfach statistisch wahrscheinlicher ist. Solch hohe Volas erscheinen allerdings genauso statistisch bedingt eher selten. Würden hohe IV Ranks und IV Percentiles regelmäßig auftreten, würde das bedeuten, dass die Vola immer weiter steigt, was wiederum ungünstig für die bereits verkauften Optionen wäre. Aufgrund dieser Zwickmühle habe ich kein Regelwerk à la "verkaufe nur Puts bei IV Percentile von über z.B. 60", da ich ansonsten über lange Zeiträume hinweg gar nicht handeln würde.


Hinzu kommt, dass nun mal mit steigenden Märkten die Vola stetig abnimmt, wie oben ausgeführt. Dann stehen niedrige IV Ranks und IV Percentiles an der Tagesordnung, aber mit Short Puts weit aus dem Geld lassen sich weiterhin gute Einnahmen generieren, da die verkauften Optionen dann naturgemäß schnell an Wert verlieren und in den Take-Profit laufen. Du solltest dir dennoch bewusst machen, dass ein überraschender Anstieg der Vola deine laufenden Positionen stark ins Minus ziehen kann, obwohl sie noch weit weg von den Strikes liegen.


Zusammengefasst: Hohe Werte bei IV Rank oder IV Percentile einer Aktie sind für mich eine Vorfilterung, um gute Trade-Kandidaten zu identifizieren. Ist die hohe IV dann nicht durch anstehende Earnings begründet, ergibt sich häufig eine tolle Möglichkeit, um durch den statistisch wahrscheinlichen Rückgang der Vola Geld zu verdienen.


 

Wie du siehst, gibt es bei der Vola leider kein klares Schwarz und Weiß. Sie wird jedoch für dich als Optionshändler ein täglicher Begleiter sein. Deswegen ist ihr Verständnis von größter Bedeutung, wobei dir dieser Artikel hoffentlich geholfen hat.


Du erachtest meine Artikel als hilfreich und sie bringen dich deinem Einstieg in den Optionshandel immer näher? Dann abonniere unbedingt meinen Newsletter und erfahre sofort von jedem neuen Blogbeitrag.


Folge mir auch auf Instagram für zusätzliche Inhalte wie Trades und Performance-Übersichten.


Die mit Sternchen* gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Beim Kauf eines Produktes über meinen Link unterstützt du mich, da ich dafür eine Provision erhalte. Für dich wird es dadurch natürlich nicht teurer. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Produkte, die ich guten Gewissens weiterempfehlen kann. Vielen Dank!


 
 
 

Comments


Du willst keinen neuen Artikel verpassen? Melde dich hier für den Newsletter an!

Vielen Dank für die Anmeldung! Bitte bestätige diese nochmals in der Mail, die du gleich erhalten wirst.

bottom of page